Zum Inhalt springen

Offener Brief: Vortrag Dr. Ingo Elbe


    An das Rektorat
    der Universität Freiburg
    Friedrichstrasse 39
    79098 Freiburg

    06.08.2024

    Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Krieglstein,
    sehr geehrte Frau Prof. Dr. Paletschek,
    sehr geehrte Frau Joggerst,
    sehr geehrte Frau Gereisten,

    mit Befremden haben wir als Netzwerk jüdischer Hochschullehrender in Deutschland, Österreich und der Schweiz (NJH, e. V.) die Vorgänge rund um den für den 30. Juli 2024 geplanten Vortrag von PD. Dr. Ingo Elbe „Antisemitismus und postkoloniale Theorie“ an der Universität Freiburg zur Kenntnis genommen. Ursprünglich wurde die Veranstaltung vom Referat gegen Antisemitismus des Studierendenrats (StuRa) organisiert. Der StuRa rief jedoch in seinem Beschluss vom 23.07.2024 dazu auf, die Veranstaltung zu verhindern, und bezeichnete Dr. Elbes Positionen als „faschistisch“ und „rassistisch“. Dieser Beschluss wurde auf der Internetseite des StuRa, die zur Internetseite der Universität Freiburg gehört, veröffentlicht 1.

    Laut einem Artikel in der Badischen Zeitung vom 01.08.2024 berichten Studierende, die zu den Veranstaltern gehören, von „Äußerungen im StuRa, in denen gefragt worden ist, wie sie sicherstellen wollten, dass es keine Polizeigewalt geben werde. Es sei schließlich eine Veranstaltung, die ‚eskalieren! werde.“ 2 Vor dem Hintergrund dieser Bedrohungskulisse und zur Vermeidung dieser angekündigten Eskalation sowie drohender gewalttätiger Proteste sahen sich die Veranstalter außer Stande, die Veranstaltung an der Universität Freiburg durchzuführen. In der Folge ist sie vom Freiburger Bündnis gegen Antisemitismus in den Räumen der Jüdischen Gemeinde durchgeführt worden.

    Das NJH beobachtet dieses einen renommierten Wissenschaftler schmähende und eine wissenschaftlich fundierte Antisemitismuskritik unterminierende Handeln von Teilen der verfassten Studierendenschaft an der Universität Freiburg mit großer Besorgnis. Diese steht auch im Kontext einer seit dem 07.10.2023 zunehmenden Bedrohung von Jüdinnen und Juden in Deutschland, die sich auch und teils insbesondere an Hochschulen gezeigt hat. Deshalb gewinnen Veranstaltungen wie die von Dr. Elbe an Bedeutung: Mit ihnen werden akademische Diskurse für ein studentisches Publikum abgebildet, die u.a. für aktuelle Problemdynamiken eines grassierenden Antisemitismus sensibilisieren. Bei voller Achtung der studentischen Selbstverwaltung betrachten wir es als hochgradig problematisch und alarmierend, wenn eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Antisemitismus an der Universität verunmöglicht wird und sich jüdische Studierende und Lehrende oder ihre Unterstützer nicht mehr sicher auf dem Campus fühlen. Eine solche Verdrängung antisemitismuskritischer Stimmen und israelbezogener aus der Universität in Folge eines studentischen Aktivismus, der genau dies zur Zielsetzung hat, weist ebenso deutlich einen Missstand aus wie der räumliche Rückzug in die Jüdische Gemeinde, deren Sichermaßnahmen alleinig eine Durchführung ermöglicht haben. Das ist umso bedenklicher, als dass sich jüdische Studierende und Lehrende seit 07.10.2023 aufgrund der Bedrohungslage zunehmend aus der Hochschulöffentlichkeit verdrängt werden.

    Uns ist es ein Anliegen, dass an der Universität Freiburg, deren besondere Verantwortung für uns in der Sache nicht zuletzt aus der Geschichte und dem Wirken ihres ehemaligen Rektors Martin Heideggers folgt, gezielt Konzepte entwickelt werden, um einen akademischen Diskurs über Antisemitismus zu ermöglichen und die Sicherheit jüdischer, israelischer und weiterer von Antisemitismus betroffener Hochschulangehöriger und Gäste sicherzustellen. Hierzu ist unseres Erachtens ein enger Austausch mit jüdischen Vertrauensdozierenden des Netzwerks vor Ort und mit jüdischen Verbänden erforderlich.

    In diesem Zusammenhang wenden wir uns mit Fragen rund um den obig skizzierten Sachverhalt an die Universität Freiburg:

    • Wie positioniert sich die Universität Freiburg zu den Geschehnissen?
    • Wie bewertet die Universität Freiburg den StuRa-Beschluss und die Äußerungen des StuRa, Dr. Elbes Positionen sei „faschistisch“ und „rassistisch“?
    • Inwiefern bzw. worin sieht die Universität Freiburg Grenzen der Gremien studentischer Selbstverwaltung?
    • Wie wird die momentan dringliche wissenschaftliche Auseinandersetzung über Antisemitismus an der Universität sichergestellt?
    • Für ein Gespräch in dieser Angelegenheit stehen wir gerne zur Verfügung.

    Mit freundlichen Grüßen

    Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender e.V. i.G. (NJH)
    Prof. Dr. Julia Bernstein
    Prof. Roglit Ishay
    Dr. Orna Freifrau von Fürstenberg
    Prof. Dr. Dani Kranz
    Prof. Dr. Guy Katz
    Dr. Ilja Kogan
    Prof. Dr. Haya Schulmann
    Webseite: www.n-j-h.de


    Nachtrag 29.10.2024: Das Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender (NJH) befindet sich derzeit in dieser Angelegenheit im Austausch mit dem Rektorat der Universität Freiburg.


    1. Aus: https://www.stura.uni-freiburg.de/news/ingoelbevortrag ↩︎
    2. https://www.badische-zeitung.de/wissenschaftler-kritisiert-akademischen-antisemitismus-scharf-an-einem-besser-geschuetzten-ort-als-d ↩︎