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Offener Brief: Moderation pro-palästinensischer Veranstaltung am 09.07.2025 durch Antisemitismusbeauftragen Prof. Dr. Rixecker

    Herrn Prof. Dr. Roland Rixecker
    Antisemitismusbeauftragter des Saarlandes
    Franz-Josef-Röder Straße 10
    66119 Saarbrücken

    11.07.2025

    Offener Brief: Stellungnahme zur Ihrer Moderation der Veranstaltung am 09.07.2025

    Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Rixecker,

    mit Entsetzen nehmen wir zur Kenntnis, dass Sie eine Veranstaltung unter dem Titel „Israel – Völkermord und Apartheidsystem gegen die Palästinenser*innen“ am 9. Juli 2025 an der Universität des Saarlandes moderiert haben sollen.

    Als Antisemitismusbeauftragtem des Landes Saarland obliegt es Ihnen, jüdisches Leben zu schützen und Antisemitismus in all seinen Formen entgegenzuwirken. Mit der Mitwirkung an einer solchen Veranstaltung positionieren Sie sich aus unserer Sicht eindeutig an der Seite der Antisemiten und Israelhasser.

    Zum Verantwortungsbereich Ihres Amtes gehört es, sich fundiert mit sämtlichen Formen und Definitionen von Antisemitismus auseinanderzusetzen – insbesondere auch mit israelbezogenem Antisemitismus, wie er unter anderem in der Arbeitsdefinition der IHRA und in der Resolution des Bundestags zu »Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen“ beschrieben ist. Ihre Moderation hat jedoch nicht zur Aufklärung beigetragen, sondern vielmehr eine Plattform geschaffen, auf der israelfeindliche Narrative und antisemitische Stereotype unwidersprochen verbreitet werden konnten.

    Dies stellt aus unserer Sicht eine Legitimierung und Förderung des Antisemitismus dar. Damit tragen Sie nicht zur Sicherheit jüdischer Bürgerinnen und Bürger im Saarland bei, sondern setzen diese vielmehr einer erhöhten Gefährdung aus. Zahlreiche jüdische Akteurinnen und Akteure aus dem Saarland, die darüber zutiefst entsetzt sind, haben uns kontaktiert.

    Sofern die Eingangs erwähnte Moderation dieser Veranstaltung durch Sie den Tatsachen entspricht, halten wir Sie für nicht geeignet, das Amt des Antisemitismusbeauftragten weiterhin auszuüben, da ein solcher Mangel an fachlicher Sensibilität und professioneller Verantwortung die Ausübung des Amtes als Antisemitismusbeauftragter verbietet.

    Wir bitten Sie um eine Stellungnahme bis zum 14. Juli 2025.

    Mit Gruß,

    Prof. Dr. Julia Bernstein
    Prof. Roglit Ishay
    Dr. Ilja Kogan


    Das Büro des Beauftragten für jüdisches Leben im Saarland und gegen Antisemitismus übermittelte uns folgende Antwort von Herrn Prof. Dr. Rixecker (in Abwesenheit) am 15.07.2025, mit der ausdrücklichen Erlaubnis diese, sofern ungekürzt, zu veröffentlichen:



    Ihren „Offenen Brief“ habe ich zur Kenntnis genommen. Die Beschreibung des Aufgabenbereichs eines unabhängigen Antisemitismusbeauftragten teile ich. Sie war der Grund dafür, auf Bitten des Präsidenten der Universität des Saarlandes und in dessen und Teilen des Präsidiums Anwesenheit die Moderation einer Veranstaltung zu übernehmen, zu der durch den Sozialistischen Deutschen Studierendenbund mit einem völlig inakzeptablen Flyer eingeladen worden war. Hintergrund war die konkrete Erwartung antisemitischer Parolen und Eskalationen.

    Ich bin daher den Formulierungen, Forderungen und „Feststellungen“ zu Beginn der Veranstaltung – eindeutigen missbilligend – entgegengetreten und habe in der Folge den unbelegten Behauptungen des Vorbringens der Vertreterin von Amnesty International mit Argumenten widersprochen. Der Anlass des Konflikts – der Terror der Hamas – ist von mir ausdrücklich angesprochen und AI entgegengehalten worden.

    Das Thema „Apartheid“ ist nicht behandelt worden, weil ich die Veranstaltung davor abgebrochen habe.

    Mir ist bekannt, dass interessierte Kreise alternative Fakten verbreiten. Möglicherweise hat sie gestört, dass ich mein Mitempfinden mit den in Gaza leidenden Müttern – und in demselben Satz mit den in Tel Aviv leidenden Müttern – zum Ausdruck gebracht habe, für die nach meiner Überzeugung von begrenztem Interesse sein dürfte, wie man die Ursache dieses Leids juristisch-dogmatisch einordnet oder nicht einordnet. Ich habe mir den Satz „sei ein Mensch“ halt zu Herzen genommen. Er gilt für alle.

    Mit freundlichen Grüßen

    [lds]

    Das Büro des Beauftragten für jüdisches Leben im Saarland und gegen Antisemitismus

    Franz-Josef-Röder-Straße 7, 66119 Saarbrücken
    Tel: +49 681 5002 495
    sekretariat-bgas@landtag-saar.de
    www.landtag-saar.de
    https://fuerjuedischesleben.saarland


    Der Vorstand des NJH antwortete am 17.07.2025 wie folgt:



    Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Rixecker,



    vielen Dank für Ihre rasche Antwort auf unsere Anfrage bezüglich Ihrer Moderation der Veranstaltung  „Israel – Völkermord und Apartheidsystem gegen die Palästinenser*innen“ am 9. Juli 2025 an der Universität des Saarlandes.



    Inzwischen liegen uns Augenzeugenberichte von der Veranstaltung vor, die Ihrer Darstellung in Teilen widersprechen.

    

Zur Klärung des Ablaufs bitten wir Sie, zu folgenden Punkten Stellung zu nehmen:



    – Sie schreiben uns, Sie hätten Ihre Empathie für das Leid der israelischen Opfer geäußert, denen Ihr Mitgefühl in gleichem Maße gelte wie den Opfern in Gaza. Laut dem Augenzeugenbericht hätten Sie dafür die Formulierung „das unsägliche Leid nichtpalästinensischer Menschen auf der anderen Seite der Grenze“ gewählt. 

Eine derart befremdliche Formulierung erweckt den Anschein, dass Sie eine Nennung von „Juden“ und „Israel“ in diesem Kontext explizit vermeiden wollten.

    – In der uns vorliegenden Stellungnahme schreiben Sie, Sie hätten Ihre Missbilligung des Begriffs „Völkermord“ im Ankündigungsflyer zum Ausdruck gebracht und seien der Behauptung der Referentin entgegengetreten, dass der IGH den Tatbestand des Genozids festgestellt habe. Dem steht der Augenzeugenbericht entgegen, laut welchem Sie sich in sehr allgemeinen und vorsichtigen Worten von Formulierungen des Flyers distanziert und die Genozidfrage als eine interessante Debatte hinsichtlich des Völkerrechts bezeichnet hätten, die jedoch weitgehend akademisch sei und wenig Relevanz für die Praxis habe. Letzteres deckt sich mit Ihrer Stellungnahme; eine eindeutige Zurückweisung des Genozidvorwurfs als nicht erwiesen ist allerdings nicht überliefert. 

Ihre Aussage hierzu ist so vorsichtig formuliert, dass man sie nicht zwingend als Zurückweisung verstehen muss.



    Unabhängig von diesen beiden Punkten müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, mit der Übernahme der Moderation einer Veranstaltung unter dem Titel „Israel – Völkermord und Apartheidsystem gegen die Palästinenser*innen“ eine rote Linie überschritten zu haben. Dass eine Veranstaltung unter diesem Titel an einer deutschen Universität stattfinden kann und von der Hochschulleitung nicht nur genehmigt, sondern auch aktiv unterstützt wird, ist skandalös genug. Laut dem Bericht von RIAS tragen solche antiisraelischen Veranstaltungen wesentlich dazu bei, dass sich jüdische und israelische Hochschulangehörige bedroht fühlen, bedroht werden und in manchen Fällen sogar Gewalt erleben. Vermutlich stehen solche Veranstaltungen im Widerspruch zum Hochschulgesetz – und Ihre Aufgabe als Antisemitismusbeauftragter wäre es, solche Formate zu verhindern, anstatt sie zu fördern oder zu legitimieren, um jüdische Menschen zu schützen.

    

Jemand, der in Kenntnis dieses Titels die Moderation übernimmt, kann nicht behaupten, Neutralität zu wahren; er nimmt die Aussage zunächst als gegeben hin und verleiht ihr durch seine Person und schlimmstenfalls sein Amt Legitimität. So ehrbar Ihr Anliegen ist, Dialog befördern und durch den Austausch von Meinungen einer Lösung bzw. einer Aussöhnung näherkommen zu wollen, so naiv wäre es, zu denken, dass sich der Moderator vom Titel einer Veranstaltung distanzieren kann, wenn er diesen im Vorfeld kennt. 



    Darüber hinaus gab es laut Augenzeugenberichten keinen Dialog zwischen Teilnehmer*innen und Vertreter*innen einer Gegenposition. Ein solcher Dialog würde bedingen, dass auch einige der (laut Augenzeugen) von Ihnen als „Nicht-Palästinenser*innen“ bezeichnete Vertreter*innen eingeladen worden wären. Nur: das waren sie nicht. Demzufolge sollte Ihnen von Anfang ersichtlich gewesen sein, dass dies eine sehr einseitige Veranstaltung werde würde.

    

Mit dem Auftrag zur Vorbeugung einer Eskalation zeigt die Hochschulleitung, dass sie sich des Konfliktpotentials bewusst ist. Als Privatperson, als Wissenschaftler und als Hochschulangehöriger sind Sie selbstverständlich frei in Ihren Entscheidungen. Ihr Auftrag als Antisemitismusbeauftragter besteht allerdings unter anderem darin, gegen falsche Behauptungen über den jüdischen Staat vorzugehen, statt diese zu legitimieren. Indem Sie nicht nur der an Sie herangetragenen Bitte nicht entsprochen haben, auf eine Absage der Veranstaltung hinzuwirken, sondern auch noch die Moderation übernommen haben, haben Sie antiisraelischer Propaganda bereitwillig eine Bühne gegeben.



    Wir gehen davon aus, dass Sie sich mit der Übernahme des Amtes als Beauftragter für jüdisches Leben im Saarland und gegen Antisemitismus verpflichtet haben, jene Definition von Antisemitismus zur Anwendung zu bringen, die auf der Beschlusslage des Deutschen Bundestags basiert und auch vom Land als Grundlage übernommen wurde – in diesem Fall die IHRA-Arbeitsdefinition.

    Vor diesem Hintergrund fordern wir Sie ausdrücklich auf, sich eindeutig und öffentlich zu dieser Definition zu bekennen.



    Die Argumente, mit denen Sie sich rechtfertigen, überzeugen nicht. Wenn Ihnen an Ausgleich und Dialog gelegen wäre, hätten Sie Ihre Moderation von einer Änderung des Titels abhängig machen können. Ihr Appell an die Menschlichkeit verfängt nicht, wenn Sie bereit sind, den Vorwurf an eine Partei, den Sie angeblich nicht teilen, zum Ausgangspunkt der Debatte zu nehmen. Ihr Interesse an Deeskalation mag Ihrer Solidarität mit der Hochschule oder den Veranstaltern entspringen, steht aber zu Ihrer Aufgabe als Antisemitismusbeauftragter im Widerspruch.

    

Mit Ihrer vorgeblich ausgleichenden Haltung mögen Sie sich moralisch im Recht fühlen und viele Sympathien gewinnen; das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft, für deren Schutz Sie allerdings einstehen sollen, haben Sie mit diesem Amtsverständnis verloren.



    Wir fordern Sie daher auf, das Amt des Beauftragten für jüdisches Leben im Saarland und gegen Antisemitismus mit sofortiger Wirkung niederzulegen.

    

Mit freundlichen Grüßen
 


    Prof. Dr. Julia Bernstein
    Prof. 
Roglit Ishay
    Dr. 
Ilja Kogan  



    Vorstand des Netzwerks Jüdischer Hochschullehrender

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